"Bildung ist mein Schlüssel zur Freiheit"
(c) Foto Portrait: Michael Fuchs; (c) Foto Fußballmannschaft: Ferdinando Iannone
Aus seinen Augen blitzt heute die pure Lebensfreude. Dabei hat Yerro Kanteh mit seinen erst 19 Jahren schon einen sehr schweren und steinigen Lebensweg hinter sich. Während der Flucht aus Guinea nach Deutschland hat er seine ganze Familie verloren.
Gerade einmal 13 Jahre ist er alt, als er 2011 zusammen mit dem Vater sein winziges Dorf verlässt. Die Mutter war bei der Geburt seiner jüngeren Schwester gestorben. Er macht sich auf den Weg nach Libyen. Über die Gründe möchte er nicht reden, auch nicht über seine Heimat, sein früheres Leben. Er ist dabei, als sein Papa durchs Fenster erschossen wird. Später erfährt Kanteh, dass die Schwester eine Krankheit nicht überlebt hat. Ein weiterer schwerer Schlag für ihn.
Im nordafrikanischen Exil schlägt sich der Jugendliche alleine durch. Bis er einen Platz auf einer Fähre ergattert. Das Mittelmeer überquert er in einer Kabine mit Schlafplatz. Italien ist nur eine mehrwöchige Zwischenstation. Das Ziel ist Deutschland. 2014 landet er in Freiberg am Neckar.
Beim örtlichen Schwimmverein lernt er den Kopf über Wasser zu halten. Er engagiert sich im Jugendhaus, beteiligt sich an der Ludwigsburger Trauergruppe von Michael Friedmann. „Sie hat mir geholfen und ich glaube, ich helfe jetzt anderen.“
Sein Freundeskreis ist mittlerweile riesig. Jetzt ist der seine Familie. „Davor habe ich außerhalb der Schule den Tag nur verschlafen“, sagt Kanteh. Seit Januar 2016 lebt er auf der Karlshöhe. Im Haus der Jugendhilfe, die ihm viel bedeutet. Er hält Kontakt und feilt an seinem Deutsch. Miteinander reden und lachen können, Kommunikation, das ist für ihn Freiheit.
Anders als in seiner Heimat ist in Deutschland Schule für alle kostenlos und leicht erreichbar. Kanteh macht seinen Hauptschulabschluss an der Mathilde-Planck-Schule auf dem Römerhügel. Bildung bedeutet ihm, als Mensch auch in der Zukunft frei zu sein. „Ich werde irgendwann nach Hause zurückkehren“, sagt er. Mit den deutschen Zeugnissen wird er in Guinea eine Perspektive haben. Insbesondere weil er nach zwei Praktika jetzt auch schon einen Lehrvertrag bei einem Ludwigsburger Fensterbauer hat.
„Yerro hat seinen Lehrherrn so überzeugt, dass der Vertrag nach zehn Minuten unterschrieben war“, erzählt Philipp Zieg- ler von der Karlshöher Jugendhilfe. Schon am nächsten Tag wird ihm die Arbeitserlaubnis aber verweigert. Kanteh ist am Boden zerstört. Nach wochenlangem gemeinsamen Kampf hat die Ausländerbehörde dann doch grünes Licht gegeben. Alles in allem: Kanteh ist das Musterbeispiel, wie Integration auf bei- den Seiten gelingen kann.
Erfahrungen in einer anderen Kultur werden ihn weiterbringen, ist Kanteh überzeugt. Auch wenn er sich mit der schwäbischen Kehrwoche im Haus der Jugendhilfe immer noch nicht so recht anfreunden kann. Rassismus habe er bislang weder in Ludwigsburg noch in Freiberg erlebt. „Die Menschen hier sind freundlich, aufgeschlossen und sehr hilfsbereit“, erzählt er. Nur die kleinen Kinder würden prüfen, ob er abfärbt. Aber das stört ihn nicht.
Er weiß, es wird schwierig werden, als Asylbewerber anerkannt zu werden. Das Verfahren mit ungewissem Ausgang ist noch nicht abgeschlossen. Er will seine Chance dennoch nutzen, als gebildeter, weltoffener und vor allem freier Mann, irgendwann Abschied zu nehmen.
(c) Text: Thomas Faulhaber
mit freundlicher Genehmigung der Karlshöhe Ludwigsburg